Finstertal

Daniela Pfaffenholz

Finstertal erblickt das Licht der Welt,
lange bevor die Dämmerung hereinbricht,
in jenem Sekundenbruchteil,
mit dem der elektrische Strom erlischt.
Die Zivilisation wird ausgeknipst,
der Fortschritt in den Urzustand versetzt,
der Alltag vom Netz genommen,
Reset.

Die Uhren in Finstertal ticken nicht mehr,
Menschliche Errungenschaften sind nicht von Bedeutung
wie Sonnenlicht
Mit einem Mal eine Erinnerung an ein anderes Leben.
Alles fortgespült vom Regen,
ersetzt durch farblose Finsternis.

Schutzlos und abgenabelt von der Welt liegt Finstertal da,
die dunkle Seite der Nacht nimmt sich, was ihr gehört,
kriecht vom Boden herauf,
steigt vom Himmel herab,
ihre langen Klauen greifen nach allem Vertrauten.

Klebrige feine Schwärze
setzt sich in jede Pore,
jede Linie unserer Haut,
hinterlässt ihren Abdruck auf unseren Fingern,
setzt alles zu,
dringt mit jedem Atemzug tief in unsere Bronchien,
der düstere Schlund, der uns zu verschlingen droht,
setzt jedem zu.

Im schwarzen Loch von Finstertal entzieht sich alles dem begrenzten Licht unserer Vorstellungen.
Die Konturen der Welt bestehen nur noch aus Unschärfe,
Konstanten sind Vergangenheit, abgelöst von Aufenthaltswahrscheinlichkeit.
Wir sind Quanten, die auf Wellen reiten,
sind Schemen, die weder Ort noch Geschwindigkeit kennen.
Hier, wo Raum und Zeit nicht mehr existieren, sind wir ganz und gar inkognito.
Alles dehnt sich ins Unendliche
Warten.

Im Blackout sind wir unseres Seh-Sinns beraubt,
und unseres Zuhauses, unserer Geborgenheit.
Ertasten die schuppigen, glitschigen Ziegel unseres Mutterleibs,
hören das Rauschen des flutenden Blutes um uns herum,
fühlen das gleichmäßige Schwingen des Dachkörpers.
So reifen wir heran zu entwurzelten Wesen,
umnachtet und behütet von Finstertals Schwärze.
Eine Ewigkeit stecken wir im Geburtskanal fest,
Es geht weder vor noch zurück,
das Licht am Ende des Tunnels noch unsichtbar.
Im Griff der Ungewissheit,
werden wir schließlich hinausgepresst
ins Dunkel der Welt.