Gedanken zur Flut – 2 Jahre danach
Rolf Schmitt
2023
Ich schaue gerade in Gedanken an die letzten zwei Jahre aus dem Fenster. Durch eine unvorstellbare Naturkatastrophe wurde unser wunderschönes Ahrtal über Nacht zum Katastrophengebiet, 137 Menschen starben. Chaos, Zerstörung und Hoffnungslosigkeit bestimmten die Tage danach.
Doch dann zeigte sich etwas, was Menschsein ausmacht. Tausende Helfende strömten ins Tal, unterstützten die Betroffenen und gaben ihnen Hoffnung. Egal ob Jung oder Alt, alle räumten gemeinsam auf. Es entstanden besondere Freundschaften zu Menschen, die wir ohne die Katastrophe nie kennengelernt hätten. Dessen sollten wir uns immer bewusst sein. Insbesondere unsere Blaulichtfamilie war von Tag eins an für die Menschen da. Ich werde nie vergessen, wie ich nach zehn Tagen die erste heiße Dusche in einem Duschzelt der Feuerwehr aus Monsheim genießen durfte.
Wenn alles kaputt ist, wird man schnell geerdet. Ganz schnell wurde aber auch der Gedanke laut: „Wir machen jetzt das Beste daraus und bauen unser Tal noch schöner wieder auf.“ Der Wiederaufbau bedeutete zunächst einmal auch viele Einschränkungen. Wir, sieben weitere Familien und zwei Einzelpersonen, zogen in Wohncontainer, die für 18 Monate unsere Wohnungen werden sollten. Beim Wiederaufbau mussten wir lernen, dass Geduld ein guter Ratgeber ist. Sei es beim Trocknen der Häuser, bei der Verfügbarkeit von Material und Handwerkenden, sowie bei den Verhandlungen mit Versicherungen, ISB-Bank und Verwaltungen.
Langsam reifte aber auch der Gedanke, dass diese Katastrophe nicht in ein bis zwei Jahren bewältigt sein würde. Daher freue ich mich umso mehr, die Fortschritte im Tal mitzuerleben. Ich sehe, dass die Wiederaufbauarbeiten an der Ahrtalbahnstrecke voranschreiten, viele wieder bewohnte Häuser in neuem Glanz erstrahlen und viele wieder eröffnete Geschäfte, Gaststätten, Hotels, Weingüter und Straußwirtschaften Besuchende begrüßen. Ich höre, dass schon sehr viele Familien in ihre Häuser zurückkehren konnten und nun ein wenig die Normalität den Alltag bestimmt. Ich sehe neue Spielplätze, neu gestaltete Dorfplätze und Sportanlagen sowie viele psychosoziale Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien.
All diese Meilensteine beim Wiederaufbau sind erstaunlich. Denn wir vergessen leider allzu oft, wie lange heutzutage der Bau von Häusern, Brücken und Infrastrukturmaßnahmen dauert. Deshalb dürfen wir zum zweiten Jahrestag auch einmal stolz auf uns Ahrtaler sein. Stolz auf das, was wir gemeistert haben, wieder auf den Weg gebracht haben und was schon geschafft wurde. Stolz darauf, wie wir mit unserem Leid sowie unserer Trauer umgegangen sind und wieviel Menschlichkeit diese Tragödie ins Tal brachte.
Bei aller Kritik an der Politik: Ja es wurden Fehler gemacht, es wurde nicht rechtzeitig genug gewarnt und die Anfangsphase beim Aufräumen war chaotisch. Doch auf welche Erfahrungswerte hätte man zurückgreifen sollen? Diese Flutkatastrophe war etwas nie Dagewesenes. Das Wichtigste ist jetzt, dass wir alle daraus lernen und vor allem die Politik erkennt, was verändert werden muss, um eine Katastrophe wie diese zukünftig zu verhindern. Die Besuche der Politikerinnen und Politiker aus Mainz und Berlin zeigen, dass das Ahrtal nicht vergessen wird und der Wiederaufbau auch mit Unterstützung der Politik voranschreitet.
Täglich wird etwas Neues wieder aufgebaut. Die Antragsfristen wurden verlängert, neue Förderprogramme auf den Weg gebracht, Projektgruppen gebildet, Studien beauftragt und die Kommunen mit zusätzlichen Fördermitteln unterstützt sowie vieles mehr. Nennt mir ein Land auf der Erde, in dem Flutopfer bis zu 100 Prozent ihres Schadens ersetzt bekommen! Vielleicht sollten wir alle zum zweiten Jahrestag einmal innehalten und Dankeschön sagen für alles, was für uns bisher getan wurde. Dankeschön sagen an alle Helfenden für ihre Unterstützung. Dankeschön sagen an die Tausenden von Spenderinnen und Spendern für ihre Hilfsbereitschaft. Dankeschön sagen an die ehrenamtlichen Gremien in den Gemeinden und Städten für ihr Engagement. Dankeschön sagen an die ganze Blaulichtfamilie. Dankeschön sagen an alle Hilfsorganisationen für ihre Hilfsaktivitäten. Und um uns vor Augen zu führen, wie glücklich wir sein dürfen, sollten wir uns an die 136 Menschen erinnern, die diese Katastrophe nicht überlebt haben. Sie sollten uns immer in Erinnerung bleiben und Mahnung für die Zukunft sein.
Eins sollten wir nie aus dem Auge verlieren. Solange wir unserer Zukunft positiv entgegenblicken und gemeinsam den Wiederaufbau gestalten, werden wir stärker aus dieser Katastrophe hervorgehen und das Ahrtal zu dem machen, was es immer war. Ein Ort, an dem andere Menschen ihren Urlaub verbringen und der für uns wunderschöne, geliebte Heimat bedeutet. Deshalb lasst uns alle POSITIV bleiben.