Das Schicksal der Nepomukbrücke von Rech 1723-2023

Bernhard Jöbgen, Elfriede Mittag, Gisela Rech
14. Juni 2024

Wer dort wohnt, möchte es nicht verlassen, wer es einmal gesehen hat, kann es nicht vergessen: das malerische Ahrtal.

Mitten in dieser atemberaubend schönen Landschaft liegt am Fuße des Bergkegels Nollsnück das „kleine Dorf mit den großen Weinen“. Mächtig und formvollendet verbindet die „Sankt Johannes von Nepomuk“-Brücke seit Generationen den südlich der Ahr gelegenen Dorfkern mit der Bebauung am nördlichen Ufer.

1723 begannen die Recher Baumeister zuerst damit, zwei steinerne Pfeiler in den Fluss zu setzen, die sie allerdings bald zu zwei Brückenbögen umbauten. Schließlich erweiterten sie diese um zwei zusätzliche Bögen. Ab da hielt die Brücke als einzige an der Ahr ohne größere Schäden allen Hochwassern stand.

In der Flutkatastrophe vom Sommer 2021 verlor sie jedoch den vierten Bogen und das südliche Widerlager. Die Statue des Brückenheiligen stürzte in die Fluten. Eine Frau verlor ihr Leben. Die Schäden waren unermesslich und Rech war von der Außenwelt völlig abgeschnitten.

Die Menschen aber standen zusammen. Sie organisierten mit der umsichtigen Unterstützung des Ortsbürgermeisters (OB) Dominik Gieler den Alltag in dieser existentiellen Not, bis Hilfe von außen kam.

Bild: Annette Holzapfel

Der Gemeinderat stand vor gewaltigen Herausforderungen. Es fehlten "Bauersatzflächen für von der Flut mit Bauverbot betroffenen Grundstückseigentümer", und das war "neben dem Brückenbau das Hauptthema", schrieb der OB im Bürgerbrief. Denn der Plan, Baugrundstücke auf der immer wieder überschwemmten Flussaue anzubieten, war fraglich geworden. In der Ratssitzung vom Dezember 2021 betonte der Vertreter der Struktur und General-Direktion SGD Nord, dass der Ahr mehr Raum zugestanden werden müsse. Er stellte klar, "dass, wenn die alte Brücke wieder aufgebaut wird, jegliche Ausnahmegenehmigungen im Überschwemmungsgebiet ausgeschlossen sind". Er empfahl deshalb, die Brücke abzureißen und eine neue an einem anderen Standort zu bauen. Der entsprechende Antrag wurde mit 8:3 Stimmen angenommen.

Die Reaktion im Dorf reichte von großer Zustimmung bis zu Fassungslosigkeit.
Die Befürwortenden begrüßten beispielsweise die Modernisierung des Erscheinungsbildes des Dorfes und die Zweispurigkeit einer neuen Brücke. Andere konnten nicht glauben, dass dieses bedeutende Erbe der Vorfahren, das 300 Jahre alte Wahrzeichen von Rech, abgerissen werden soll.

Bürgerinnen und Bürger meldeten sich zu Wort und schlugen vor, die beschädigte Brücke als historisches Denkmal zu erhalten, wie den Pont d‘Avignon. Joel Jöbgen, Lehrbeauftragter an der Hochschule Mainz, plädierte in Briefen an die verschiedenen zuständigen Behörden für eine offene, transparente Diskussion verschiedener Expert:innen, und Andreas Schmickler, Herausgeber und Mitautor des Buches „Spuren der Flut im Ahrtal 2021“, wies die Kreisverwaltung u.a. auf die ufernahe Bebauung als das eigentliche Abflusshindernis hin.

Bild: Annette Holzapfel

Ein Jahr später genehmigte die Kreisverwaltung den Abrissantrag. Auf der Basis eines Gutachtens von Fischer Teamplan begründete sie ihre Entscheidung: "... nur durch den Abbruch der Nepomuk Brücke (seien) der Hochwasserschutz und der Schutz von Menschenleben gewährleistet …".

Zwei öffentliche Petitionen zum Erhalt des Kulturdenkmals erbrachten bundesweit fast zehntausend Unterschriften. Ein Gutachten der Deutschen Stiftung Denkmalschutz DSD, verfasst vom renommierten Brückenbauer Dipl. Ing. Gregor Stolarski, konnte zeigen, dass Hochwasserschutz für Menschen hier durchaus vereinbar sei mit Denkmalschutz. Andere Expert:innen, wie der Auenforscher Prof. Dr. Bernd Gerke, oder der für die Renovierung der Regensburger Steinbogenbrücke verantwortliche Ingenieur Alfons Swaczyna äußerten sich ähnlich. Besonders Prof. Dr. Wolfgang Büchs, Universität Hildesheim, kritisierte, dass das Fischer Teamplan-Gutachten die von der Flut um 21 Häuser verringerte Uferbebauung nicht berücksichtige, und damit im Ergebnis fragwürdig sei. Der Recher Ingenieur Wilfried Donner konnte mit zahlreichen Fotos zeigen, dass die Flutwelle, verstärkt durch den Einsturz der Bahnbrücken im Oberlauf, ihrem historischen Flussbett folgte und südlich der Brücke direkt ins Dorf schoss.

Die Kreisverwaltung jedoch bekräftigte ihre Entscheidung mit der Feststellung, dass keine relevanten neuen Erkenntnisse vorlägen, und mit dem Hinweis auf ein im Ergebnis gleichlautendes zweites Gutachten von Fischer Teamplan.

Eine Mehrheit im Gemeinderat wollte nun in der Sitzung vom 29. Juni 2023 über einen Aufschub abstimmen, um die widersprüchlichen Expertenmeinungen klären zu lassen. Der anwesende Vertreter der SGD Nord stellte fest, dass die Brücke kein Denkmal mehr sei und abgerissen werden müsse, denn als Bauwerk im Fluss entspreche sie nicht mehr den heutigen Bestimmungen. So blieb es beim Abrissbeschluss.

Am 19. und 20. Juli 2023 wurde die Brücke abgerissen. Eine Stellungnahme des Landesbeirates für Denkmalschutz lag nicht vor und auch das Ergebnis der Beratungen im Petitionsausschuss des Landtages stand noch aus. Als Andenken bleibt, außer wenigen Steinen und der wiedergefundenen Statue, der "Nachruf auf ein einzigartiges Denkmal" von Dr. Steffen Skudelny (DSD).

Und es bleibt die Hoffnung, dass die zauberhafte Landschaft des Ahrtals die heutigen Baumeister inspirieren wird zum Bau einer Brücke, die den Vergleich mit dem Bauwerk der Vorfahren nicht zu scheuen braucht.