Der Verlauf der Flutkatastrophe
Erlebnisbericht J. Raths und B. Voss
Stahlhütte
Januar 2023 / Dezember 2023
Jürgen Raths und Bernhard Voss
Jürgen Raths und Bernhard Voss von der Feuerwehr Dorsel berichten:
Chronologische Auflistung vom 14.07.2021
In Dorsel, wozu der Campingplatz Stahlhütte gehört, waren zwei freiwillige Feuerwehren aus dem Kreis Ahrweiler im Einsatz: die von Dorsel und die von Barweiler.
13:21 Uhr
Die Freiwillige Feuerwehr Dorsel begann mit dem Abarbeiten der ersten Einsatzstellen (Überflutungen; volllaufende Keller in der Ortslage Dorsel). Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Ahr noch in ihrem Flussbett. Gleichzeitig flossen erhebliche Wassermassen aus Bächen, die in die Ahr münden, über Felder und Wiesen den Berg herab.
Alle folgenden Zeitangaben sind ungefähr, weil niemand, der im Einsatz war, noch ein Bewusstsein für die Uhrzeit hatte. Die Uhrzeit spielte keine Rolle mehr. Es ging darum, Menschen zu retten.
16:00 Uhr
Die Ahr war aus ihrem Bett getreten und begann den Campingplatz „Stahlhütte“ zu überfluten.
16:20 Uhr
Der Wasserspiegel war teilweise schon stiefelhoch.
16:30 Uhr
Der Räumungseinsatz der Feuerwehren am Campingplatz „Stahlhütte“ begann. Der Campingplatzbetreiber wurde zur Räumung und zum Öffnen des Gebäudes als Sammelplatz aufgefordert. Die Feuerwehr Barweiler lief die Wohnwagen ab, um die Menschen zu warnen und zu deren Verlassen aufzufordern.
16:45 Uhr
Die Wasserhöhe war kniehoch. Die Campingplatzbewohner wurden durch Feuerwehren, einen Traktor mit Schaufel und einen Hubschrauber der Johanniter Luftrettung evakuiert. Sie sammelten sich am Restaurant des Campingplatzes. Der Hubschrauber konnte fünf Menschen und einen Hund retten die der Notfallsanitäter - vom Arzt gehalten - in den Hubschrauber zog. Danach drehte der Hubschrauber ab, weil der Tank neu gefüllt werden musste. Menschen standen bereits mit Taschenlampen auf den Dächern ihrer Wohnwagen. Als der Hubschrauber jedoch zurückkehrte, war von ihnen niemand mehr dort.
18:00 Uhr
Eine Flutwelle rollte von der Ahr aus auf den Campingplatz zu. Alle Wohnwagen wurden durch Wassermassen weggerissen. Die Feuerwehrfrau Katharina Kraatz aus Barweiler wurde vermisst.
19:30 Uhr
An der Einsatzstelle Reiterhof „Gut Stahlhütte“, wo sich noch Gäste und die Eigentümer mit ihren Kindern befanden, versuchte die Feuerwehr zunächst den Keller leer zu pumpen. Dies musste jedoch aufgrund des rasch steigenden Wassers aufgegeben werden. Deshalb rettete die Feuerwehr die Menschen und anschließend die Pferde. Danach wurde die Gefahr auch für die Mannschaft zu groß. (Eigenschutz)
20:00 Uhr
Die evakuierten Personen des Campingplatzes sowie aus Stahlhütte wurden im Bürgerhaus Dorsel in Sicherheit gebracht, da der Sammelplatz im Restaurant des Campinglatzes durch Überflutung gefährdet war und der Strom ausgefallen war. Beim Zusammenstellen der Vermisstenliste (im Bürgerhaus in Dorsel) stellte sich heraus, dass sechs Campingplatzbewohner und die Feuerwehrfrau Katharine Kraatz weiter vermisst wurden. Ihre Leiche wurde vier Tage später im 7 km entfernten Ort Antweiler gefunden.
Die Wohnwagen spülte die Flut weg. Ahrabwärts zerschellten sie an den Pfeilern der Steiner Brücke, die dadurch weggerissen wurde. Die tonnenschweren Eisenträger wurden extrem verbogen und ca. 800 Meter ahrabwärts getrieben.
Nach der Flut kamen viele Menschen, um beim Aufräumen zu unterstützen. Auch Spenden trafen schnell bei den Menschen ein. Besonders die Ortsbewohner von Dorsel halfen in der Flutnacht, nahmen einige Flutopfer bei sich auf oder versorgten diese im Bürgerhaus. Man spürte, dass die Menschen enger zusammenwuchsen.
Der Sportverein Dorsel stellte der Bevölkerung von Antweiler, die nach der Flut kein Wasser mehr hatte, ihre Duschkabinen zur Verfügung. Wochenlang kamen Menschen aus Antweiler nach Dorsel. Die Dorseler kümmerten sich um die Reinigung von Duschkabinen und Toiletten.
In den ersten Tagen nach der Flut konnten im Bereich des Campingplatzes bis nach Müsch keine Räumungsarbeiten begonnen werden, weil in diesem Gebiet Hundestaffeln der Polizei und der Feuerwehr die vermissten Personen suchten.
In den folgenden Tagen nach den Ereignissen wurde die Fläche zwischen Dorsel und Antweiler mit Spürhunden und Suchpersonal von Polizei und Feuerwehr nach vermissten Personen durchsucht. Die vermissten Personen konnten nur noch tot aufgefunden werden. Die vermisste Feuerwehrfrau wurde vier Tage später vor Antweiler gefunden. Es kamen einige Helfer die nach Rückgang des Wassers die Wohnung und das Gebäude der Stahlhütte zu räumen und von Schlamm zu befreien.
Die Fläche zwischen Dorsel und Müsch konnte erst nach Beendigung der Suchaktion von Unrat befreit werden. Dies wurde von freiwilligen Helfern, dem THW, dem Landesforsten und durch mehrere freigestellte Helfer der Firma John Deere durchgeführt. Es trafen in den folgenden Tagen und Wochen viele Sachspenden von Möbel bis Futter für Tiere ein.
Bis heute (2024) ist noch nicht klar ob der Campingplatz wieder eröffnet wird.
Die Zeitangaben sind ungefähr.
Auf einer Holztafel in der ehemaligen Grundschule von Dorsel (heute Gemeindehaus), die die Flut vom 21.07.1804 beschreibt, ist zu lesen, dass auch damals Stahlhütte überflutet und die Hälfte der Hütte sowie die Steiner Brücke zerstört wurden, ebenfalls die Mühlen (die noch existierende Mühle war 2021 nicht betroffen). In Müsch wurden 10 Häuser, Ställe und Schmieden fortgerissen, vier Personen ertranken.