Historische Hochwasser im Ahrtal

Thomas Roggenkamp

Die Historie von Hochwassern im Ahrtal reicht bis zur ersten Besiedlung der Region zurück. Bereits römische Bauten wurden in der Regel unmittelbar an den Hängen errichtet und nicht auf den flachen Auenflächen. Man war sich der Hochwassergefahr bewusst und hielt respektvoll Abstand zum Fluss. Erst im Zuge mittelalterlicher Siedlungsgründungen und insbesondere neuzeitlicher Siedlungsentwicklungen breiteten sich die Orte mehr und mehr in einen hochwassergefährdeten Raum aus.

Konkrete Erwähnungen von einzelnen Hochwassern gehen zurück bis in die frühe Neuzeit. Zeitgenössische Dokumente berichten regelmäßig von Schäden durch Hochwasser an flussnahen Bauten wie Brücken und Mühlen. Mit Hochwassern einhergehende spontane Laufverlagerungen der Ahr sorgten zudem für Streitigkeiten um Landbesitzansprüche. Am 30. Mai 1601 ereignete sich dann allerdings ein Hochwasser, welches weit über Bekanntes hinausging. In Antweiler ertranken damals neun Personen und 16 Gebäude wurden zerstört. In den folgenden Jahrzehnten ereigneten sich immer wieder Hochwasser im Ahrtal, was bereits ab dem 17. Jahrhundert zu Überlegungen einer Flussregulierung führte. Tatsächlich sorgten Verlagerungen des Flusslaufs durch ein Hochwasser oft für große Schäden.

Bild: Peter Richrath
Bild: Peter Richrath

Das wohl größte und folgenreichste Hochwasser in historischer Zeit erlebte das Ahrtal am 21. Juli 1804. Nachdem es bereits in den Vortagen mehrere Gewitter gab, welche die Böden mit Wasser sättigten, ereignete sich ab dem Nachmittag des 21. Juli ein Unwetter. Dieses ließ insbesondere die südlichen Bäche Trierbach, Adenauerbach und Kesselinger Bach binnen kurzer Zeit anschwellen. In der Ahr türmten sich die einzelnen Wellen zu einer Flut auf, welche entlang der gesamten Ahr wütete. Die Welle erreichte die Mittelahr am späten Abend und viele Menschen wurden in ihren Häusern vom schnellen Anstieg des Wasserstandes überrascht. Insgesamt starben 63 - 65 Menschen in den Fluten. Kaum ein Ort entlang der Ahr blieb unbeschadet. So wurden insgesamt 129 Wohnhäuser, 30 Brücken, 18 Mühlen und acht Schmieden zerstört; weitere 469 Wohnhäuser schwer beschädigt. Der Wiederaufbau nahm mehrere Jahre in Anspruch und wurde durch Hilfsaktionen und Geldzuweisungen unterstützt. Vor dem Hintergrund, dass das Ahrtal im frühen 19. Jahrhundert noch wesentlich dünner besiedelt war, als heute, ist die Anzahl der Todesopfer sehr hoch und verdeutlicht das Ausmaß der Katastrophe vom Juli 1804. Die Wassermengen waren denen des Hochwassers vom Juli 2021 sehr ähnlich. In Anbetracht der Entstehung, des Ausmaßes und der katastrophalen Folgen, kann die Flut vom Juli 2021 als eine Wiederholung von 1804 betrachtet werden.

Das Hochwasser von 1804 ist nicht nur in zahlreichen Berichten festgehalten. Auch Hochwassermarken in Dernau und Walporzheim dokumentieren den damaligen Wasserstand. Auch spätere Hochwasser des 19. und frühen 20. Jahrhundert sind in Form von Hochwassermarken dokumentiert. Sie finden sich neben Dernau und Walporzheim auch im Straßentunnel bei Altenahr oder an der Altenahrer Brücke. Vermerkt sind die größeren Hochwasser von 1888, 1910, 1918 und 1920.

Bild: Peter Richrath
Bild: Peter Richrath

Unter diesen Marken sticht jene der Flut vom 12./13. Juni 1910 deutlich heraus. Ebenso wie 1804 entstand dieses Hochwasser aufgrund von langanhaltenden Starkniederschlägen. Auch das Zentrum der Niederschläge lag, wie im Jahr 1804, über dem südlichen Einzugsgebiet. So waren auch Orte abseits der Ahr stark betroffen. In Adenau trat der Adenauerbach über die Ufer und überflutete den Ort meterhoch. An der Ahr führte auch dieses Hochwasser zu einer Katastrophe. Zwar waren die Wassermengen geringer als während der Flut von 1804, doch sorgten unglückliche Umstände zu großen Schäden und zahlreichen Todesopfern: Im Sommer 1910 wurde die örtliche Eisenbahnstrecke ausgebaut und etwa 2000 Gastarbeiter lebten im Ahrtal. Diese wurden oftmals in einfachen Baracken in Ufernähe untergebracht. Als sich in der Nacht vom 12. auf den 13. Juni 1910 die Hochwasserwelle bildete und die Ahr schnell über die Ufer trat, wurden die einfachen Behausungen teilweise vom Wasser fortgerissen. Insgesamt starben 52 Menschen. Auch die Schäden waren erheblich (Janta & Poppelreuter 2010). Das zahlreich auf den Auen gelagerte Baumaterial für die Eisenbahnstrecke wurde vom Wasser mitgerissen und verkantete sich oftmals an Brücken, welche in großer Zahl beschädigt oder sogar gänzlich zerstört wurden. Während Orte am Oberlauf bereits in der Nacht vom Hochwasser heimgesucht wurden, erreichte die Welle Bad Neuenahr am Vormittag des 13. Juni. Hier entstanden zahlreiche Fotoaufnahmen, welche die Situation in der Stadt dokumentieren.

Nach anfänglich gesteigertem Risikobewusstsein nach den Hochwasserkatastrophen der Ahr, ließ dieses im Laufe der Zeit immer wieder nach. Vergangene Fluten wurden von anderen Themen überlagert und gerieten schließlich in Vergessenheit. Die Historie zeigt: Hochwasserkatastrophen ereigneten sich auch vor 2021 im Ahrtal und forderten zahlreiche Menschenleben. Das Wissen um diese Katastrophen darf nicht nochmals verloren gehen, da es mit Deutlichkeit zeigt, zu welch gewaltigen Hochwassern die Ahr fähig ist. In der Historie, der Gegenwart und auch in Zukunft.

Bild: Elke Wischnewski