Zwischen ISB-Antragsberatung, Bauberatung und Bürgerberatung

Katharina Klaesgen
Februar 2023

Katharina Klaesgen aus Schuld arbeitet dort im Info-Point:

Seit Ende August 2021 wurden im gesamten Ahrtal Infopoints aufgebaut. Entstanden als Anlaufstelle innerhalb der Ortschaften zur Unterstützung der Bürgermeister und Ortsvorsteher, hat sich das Angebot im Laufe der Zeit bedarfsgerecht weiterentwickelt. Seit Anfang 2023 wird die Bürgerberatung wieder von den Stadt- und Gemeindeverwaltungen durchgeführt; in den Infopoints finden die Betroffenen der Flutkatastrophe Hilfe beim Ausfüllen der Anträge der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) und eine Bauberatung durch Architektinnen und Architekten, die zu Themen wie „energetisches Bauen“, „Baukultur im Ahrtal“, „hochwasserangepasstes Bauen“ kostenfrei beraten. Eine Übersicht aller Infopoints im Ahrtal und der lokalen Angebote findet sich unter www.helfer-stab.de/infopoints.

Die Mitarbeitenden der M2A Aritude Betriebs GmbH in den ISB-Infopoints werden durch Infomails und wöchentliche Austauschrunden per Microsoft Teams vom Team der ISB-Kundenbetreuung Sonderprogramme über alle aktuellen Änderungen in den Antragsstrecken und zu Auslegungen der Verwaltungsvorschrift informiert. Infopoint-Mitarbeiter:innen können bei der Gelegenheit allgemeine Fragestellungen zur Aufbauhilfe klären und ihr Feedback sowie Verbesserungsvorschläge zur Vereinfachung von Antragsprozessschritten übermitteln. Darüber hinaus haben sie in den ISB-Infopoints einen kurzen Draht zu Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern vom Team der ISB-Kundenbetreuung Sonderprogramme, die sie per Mail oder telefonisch zu speziellen Fragestellungen, Problemen bei einzelnen Anträgen und generellem Beratungsbedarf kontaktieren können. Des Weiteren sind die ISB-Mitarbeitenden des Teams Kundenbetreuung Sonderprogramme regelmäßig im Ahrtal bei den ISB-Infopoints zu Besuch, um sich Erfolgsmeldungen, aber auch Herausforderungen vor Ort anzuhören und dieses Feedback dann mit nach Mainz zu nehmen. Durch diese enge und konstruktive Zusammenarbeit mit der ISB-Kundenbetreuung Sonderprogramme können Probleme schnellstmöglich gelöst, offene Fragen geklärt und Verbesserungen im digitalen Antragssystem erarbeitet werden, sodass den Betroffenen bestmöglich geholfen werden kann. Die ISB kann zudem auch direkt kontaktiert werden – per Telefon 06131 6172-1444 oder per Mail aufbauhilfe@isb.rlp.de.

Bild: Frank Thelen

Welche Betroffenen das Informations- und Unterstützungsangebot in den ISB-Infopoints aus welchen Beweggründen in Anspruch nehmen und welche nicht, kann nicht verallgemeinernd beantwortet werden. Es gibt vielfältige Gründe, wieso Betroffene die ISB-Infopoints aufsuchen. Einige haben keine IT-Infrastruktur (Computer, PC, Drucker, Internet) oder sind einfach nicht IT-affin, sodass für sie die digitalen Anträge Neuland sind. Andere haben von Nachbarn oder Bekannten gehört, dass die Antragstellung vor Ort in den ISB-Infopoints problemlos funktioniert und die Hilfestellung kompetent ist, sodass sie von dieser Unterstützungsleistung auch profitieren wollen. Wieder andere sind mit der Antragstellung an sich – teilweise auch durch eine psychische Traumatisierung oder durch individuelle Schicksalsschläge – überfordert oder verstehen einige Prozesse bei der Antragstellung nicht. Die Unterstützungsangebote an den Infopoints entlasten sie, ihnen wird eine Sorge abgenommen.

Wenn Betroffene die Unterstützungsangebote an den Infopoints nicht in Anspruch nehmen, dann liegt es häufig daran, dass sie bei der Antragstellung Unterstützung von Familienangehörigen bekommen, die über Kompetenzen und die notwendigen technischen Geräte verfügen, um einen digitalen Antrag für ihre betroffenen Angehörigen einzureichen. Andere Betroffene setzen den Wiederaufbau hauptsächlich mit der Hilfe von freiwilligen Helfenden oder durch Spenden und viel Eigenleistung um, sodass sie einen Antrag auf Wiederaufbauhilfe unter Umständen gar nicht stellen. Oder ihr gesamter Schaden wird durch eine Versicherungsleistung abgedeckt. Es kommt auch vor, dass Betroffene sich schämen, staatliche Wiederaufbauhilfen zu nutzen oder meinen, diese sollten vorranging von Betroffenen mit größeren Schäden beansprucht werden. Dieses Phänomen tritt vor allem bei älteren Personen auf. Darüber hinaus gibt es Betroffene, die noch keine klare Perspektive für den Wiederaufbau haben, da sie ein neues Grundstück suchen, unklar ist, ob ihr Haus doch noch abgerissen wird oder sie sich in anderweitigen Aushandlungsprozessen mit Behörden oder Versicherungen befinden. Wieder andere Betroffene sind so traumatisiert, dass sie noch keine Entscheidung über ihren langfristigen Wohnort fällen konnten und deshalb die Antragstellung nicht angegangen sind. Ihnen fehlt einfach die Vorstellungskraft, wie sie weitermachen sollen. Was sie heute wollen, ist häufig morgen das Gegenteil davon.

Bild: Arne Drosdziok

Einige Betroffene haben trotz vielfältiger Informationsverteilung über verschiedene Kanäle (z. B. Informationsbündnis Wiederaufbau „Wir sind dAHR“ über die sozialen Medien, die Homepage der ISB und die Homepage Wiederaufbau RLP, Annoncen in den Amtsblättern, etc.) noch nichts von den Wiederaufbauhilfen und dem Dienstleistungsangebot an den Infopoints gehört. Sie haben deshalb bisher nicht den Weg dorthin gefunden oder sie haben so viele Baustellen zu bewältigen, dass sie noch nicht den Kopf frei hatten, um sich um ihre Wiederaufbauhilfen zu kümmern. Die Nerven liegen oft blank und alles ist zu viel. Andere Betroffene sind teilweise auch durch negative Erfahrungen mit den Anträgen aus der Anfangszeit, negative Medienberichte oder „Halbwahrheiten“, die sich im Dorffunk oder den sozialen Medien schnell verbreiten, von einer Antragstellung abgeschreckt worden. Manche Betroffene wissen auch nicht, dass sie trotz teilweiser Abdeckung ihres Schadens durch ihre Versicherung noch zusätzlich die Wiederaufbauhilfe beantragen können, z.B. für hochwasserangepasste Bauweise. Generell existieren sehr komplexe individuelle Gründe und Schadenskonstellationen, weshalb einige Betroffene bisher noch keinen Antrag auf Wiederaufbauhilfe bei der ISB gestellt haben.

Um diese Betroffenen zu erreichen, wurde in Kooperation von Helfer-Stab, ISB, den Maltesern und der ADD im Frühjahr 2022 das Projekt der „Aufsuchenden Hilfe“ gestartet und das Informationsbündnis „Wir sind dAHR“ gegründet, das in seinen Informationsclips proaktiv auf die Dienstleistungen in den Infopoints eingeht. Im Projekt der „Aufsuchenden Hilfe“ besuchen Beraterinnen und Berater die betroffenen Haushalte im Ahrtal, um über die Wiederaufbauhilfen, die Unterstützungsmöglichkeiten in den Infopoints, die Unterstützungsangebote der Malteser sowie anderer Hilfsorganisationen und psychosoziale Angebote zu informieren und mit den Bewohner:innen in einen Dialog zu treten. Haushalte, die nicht angetroffen werden, werden mit Infoflyern versorgt. Die „Aufsuchende Hilfe“ konnte viele Menschen dazu motivieren, den ISB-Infopoint zu kontaktieren und Anträge zu stellen. Das Projekt der „Aufsuchenden Hilfe“ endet am 30. September 2023, nachdem es über den ursprünglichen Projektzeitraum verlängert wurde, um Gebiete erneut aufzusuchen, in denen nur wenige Personen persönlich angetroffen wurden. Ein Nachfolgekonzept wird aktuell entwickelt.

Darüber hinaus gibt es auch den ISB-Infopoint-Außendienst, der Betroffene, die aus unterschiedlichen Gründen nicht zu einem ISB-Infopoint kommen können, zu Hause besucht und mit ihnen gemeinsam den Antrag stellt bzw. ihnen bei Problemen weiterhilft. Termine mit dem ISB-Infopoint-Außendienst können per Telefon 0800 133 6666 oder per Mail aufsuchende-hilfe@helfer-stab.de vereinbart werden.
Nicht zu vergessen sind des Weiteren die unzähligen Hilfsangebote der Wohlfahrtsorganisationen und zum Teil neu gegründeter Vereine.
Wie der vorangegangene Bericht zeigt, existieren im Ahrtal vielfältige Unterstützungsangebote, die alle ein gemeinsames Ziel haben: Möglichst alle Betroffene bei ihren Wiederaufbau-Projekten bestmöglich zu unterstützen.

Weiterführende Informationen: https://wiederaufbau.rlp.de/