J. Peter Tatsch an seinen Sohn J. Jacob Tatsch in Raversbeuren: Brief vom 18.11.1832
Colonie St. Leopoldi, den 18. November 1832
Vielgeliebter Sohn!
Dein mir sehr werter Brief vom 13. Januar 1831 ist mir vor ungefähr zwei Monaten zu Händen gekommen. Freudentränen rollten mir über die Wangen, als ich denselben lesen wollte. Mit Freude habe ich daraus ersehen, dass ich noch in Deinem sowie in dem Andenken meiner werten Geschwister bin, aber noch mehr freute mich, dass Du und die Deinigen so wie alle unsere Verwanden sich noch alle bei gutem Wohlsein befinden, so wie wir auch, Gott sei Dank, wie wir hier beisammen sind. Auch habe ich daraus ersehen, dass weder Du, noch meine Geschwister einen Brief von mir erhalten haben. Den Brief vom 17. Februar 1828, welchen Du Peter Gewehr mitgegeben hast, sowie den meines Bruders habe ich am 25. Februar 1830 erhalten, wo ich kurz darauf einen Brief an Dich abgehen ließ und späterhin schrieb ich auch an Bruder Wilhelm. Soweit hiervon, um nun auch etwas von meinen eigenen Umständen zu erzählen. So gelangten wir den 15. Dezember 1827 hier auf der Colonie an und warfen den Anker. Die meisten unserer Reisegefährten hatten schon Bekannte und Freunde hier, wo sie denn sogleich hinzogen, bis sie Colonien bekamen. Auch selbst mein Bruder ging zu einem Bekannten seiner Frau. Ich als fremd und ungekannt, mußte mich mit meiner Familie auf die sogenannte Seitorie fahren lassen, ein Ort, wo der hl. Inspektor der Colonie wohnt und mehrere Gebäulichkeiten für die ankommenden Kolonisten stehen. Wir hatten also nichts zu tun. Mein Sohn, Dein Bruder J. Nicolaus, hielt mit den dort wohnenden Colonistenkindern Schule. Ich begegnete Herrn Inspektor sowie jedem dort wohnenden Menschen artig und freundschaftlich, deswegen wurde ich bald gekannt und geschätzt. Der Herr Inspektor ließ mir durch Nicolaus sagen, welcher zufällig an seinem Hause vorbeiging, ich möchte zu ihm kommen. Ich ging hin und er bot mir sogleich eine Colonie an, welche ich auch mit Dank und Freuden annahm, da doch noch kein einziger von unserem Schiff eine Colonie hatte oder er musste sie gekauft haben. Sie liegt nur ¾ Stund im Wald und sie ist rundum von Bigaden umgeben, so dass keine Gefahr vor den Wilden besteht, wie es in anderen Schneisen oder Begaden schon mehrere Male der Fall gewesen ist, daß sie großes Unheil angerichtet haben. Dieses Jahr sind in der Bigade meines Bruders bei einem Ausfall 10 Menschen umgekommen und voriges Jahr 3. Im ganzen sind dort, seit dem wir hier sind, 25 Menschen erschlagen worden, worunter aber niemand ist, den ich gekannt habe als die Frau des Burkhardt Gölzer von Lötzbeuren. Auch Burkhardt Gölzer ging hier in den Wald, um ein Pferd zu suchen, noch bevor seine Frau umgekommen war, aber es sind nun schon vier Jahre her und er ist bisher nicht mehr zum Vorschein gekommen. Für meinen Bruder aber besteht so leicht keine Gefahr, da er ganz vorne wohnt und die Hintersten, welche vier Stunden tiefer im Wald wohnten, sind hervorgezogen und wohnen jetzt mit 3 bis 4 Familien auf einer Colonie. Was unsere Familie anbetrifft, so sind die, die bei mir sind, nämlich Peter, Wilhelm, Ferdinand und der kleine Conrad, den du nicht kennst, so wie ich und Deine Mutter Gott sei Dank noch frisch und gesund. Dein Bruder Nicolaus ist schon zum zweiten Mal mit einer nordamerikanischen Bark nach Nordamerika und lernt die Steuermannskunst, von welchem ich vor kurzer Zeit einen Brief aus New York erhalten habe, worin er mir schreibt, daß er glücklich und gesund dort angekommen ist. Christian Gottlieb lernt in Porto Allegro die Hutmacherei und Catharina ist im selben Haus, wo Christian ist und bekommt monatlich vier Milreiß oder 24 Franks und sind, soviel ich weiß, noch gesund. Du wirst Dich mit mir freuen, daß ich Dir sagen kann, daß meine Kinder, Deine Geschwister, von vielen anderen geschätzt und geliebt werden. Die Familie meines Bruders betreffend, so sind sie auch noch alle gesund. Ich muß abbrechen, es bleibt mir zu wenig Raum übrig, Dir alles zu sagen, was ich wünschte Dir sagen zu können, nur muß ich Dir nochmals sagen, daß uns Dein Brief viel Freude gemacht hat. Auch freute ich mich sehr, daß Du in Deiner Heirat recht glücklich gewesen und Dir der Himmel eine liebenswürdige Gattin gegeben. Nicht minder Freude machen mir Deine munteren und gesunden Kinder, meine lieben Enkelchen, womit Dich Gott gesegnet hat, ach könnte ich sie mit Euch nur einmal umarmen und recht fest an mein Herze drücken. Ich bitte Dich nun noch schließlich meinen Bruder und meine Schwester, seiner Hochwürden Herrn Pfarrer Braun und seine Frau Gemahlin, meine Fraubaß in Kappel, die mich als Kind auf den Armen getragen, sowie alle Freunde, Verwandte und Bekannte recht herzlich zu grüßen und Dich, nebst Deiner Frau und Deinen Kindern, empfehle ich dem Schutze des Allerhöchsten und sage Dir, daß ich nicht werde aufhören Euch zu lieben bis mein Auge bricht, und wenn einst mein Gebein im Grabe modert, so wird doch mein Geist nicht aufhören, der Geist Deines Vaters zu sein.
Es grüßt Dich nochmals herzlich samt Deiner Mutter und Geschwistern
Dein Dich ewig liebender Vater
Peter Tatsch
Schreibe uns bald und viel gutes Neues.