Der Verlauf der Flutkatastrophe

Erlebnisbericht K. Kniel

Heppingen
November 2022
Klaus Kniel

Opfer der Flutkatastrophe 2021

Klaus Kniel, der Ortsvorsteher von Heppingen berichtet:

Ohnmacht, Hilflosigkeit, Verzweiflung, Zorn und Wut, diese Begrifflichkeiten spiegeln wohl den Gemütszustand vieler Betroffener der Flutkatastrophe in Heppingen unmittelbar nach der Katastrophe und in den ersten Tagen nach der Flut wider, aber auch Trauer um die Toten und Vermissten in der Nachbarschaft. Im Neubaugebiet „Landskroner Straße Süd“ verbrachten mehr als 50 Menschen eine lange Nacht bis zum Mittag des 15. Juli 2021 auf ihren Dächern, bis sie mit Booten der Feuerwehren gerettet wurden. Wegen der starken Strömung der Flut konnten die Retter erst spät mit der Bergung beginnen.

Bild: Wolfgang Lingen
Bild: Wolfgang Lingen
Bild: Wolfgang Lingen

Immer mehr wurde danach deutlich, dass durchgängiges Versagen der zuständigen Behörden, gravierende Fehler in der Kommunikation oder gar das Ausbleiben von Informationen und Warnungen viele Menschenleben gekostet hatten. Und so verfestigte sich damals schon das Bild von Dilettantismus und grober Fehleinschätzungen vor allem auf Landesebene und den nachgeordneten Behörden, Versagen und Überforderung von Leitungskräften wie Ministern, Staatssekretären und Behördenpräsidenten. Und es kam die Frage auf, wer Schuld hatte an der hohen Zahl der Toten im Ahrtal und insbesondere in der Kreisstadt. Staatsanwaltliche Ermittlungen wurden eingeleitet, richteten sich aber ausschließlich gegen Personen aus dem Landkreis, nicht aber gegen versagende leitende Mitarbeiter von Ministerien oder nachgeordneten zuständige Behörden.

Bild: Wolfgang Lingen
Bild: Wolfgang Lingen

Zweieinhalb Wochen nach der Katastrophe, an einem Samstagabend um 19.30 Uhr kam der erste Mitarbeiter des sogenannten „Stabes“ und bot Essensversorgung ab dem übernächsten Tag an. Die Wut steigerte sich durch diesen Besuch erneut, viele Betroffene konnten in Heppingen nur überleben, weil unsere dörfliche Gemeinschaft und Nachbarschaften funktionierten. Sternekoch Hans Stefan Steinheuer versorgte ab dem Tag der Katastrophe mit seinem Team die Betroffenen und Helfer in Heppingen, täglich wurden hunderte Mahlzeiten über viele Wochen gereicht, Steinheuer stellte seine Hotelbetten für Mitbürger zur Verfügung, die keine andere Unterkunft fanden. Im sogenannten „Stab“ auf der Katastrophenschutzschule in Ahrweiler hatte man offensichtlich auch nach Wochen keine Übersicht über die wirkliche Lage vor Ort.

Bild: Wolfgang Lingen
Bild: Wolfgang Lingen

Bereits am Folgetag nach der Katastrophe hatten wir zunächst im Heppinger Feuerwehrhaus, dann im gesamten Bürgerhaus eine Versorgungs- und Hilfestelle eingerichtet, unzählige Spender von Kiel bis zum Bodensee statteten uns aus, zunächst mit Eimern, Schaufeln, Handschuhen und Hygieneartikeln, später mit allem Bedarf des täglichen Lebens. Hunderte freiwillige Helfer packten mit an, räumten die Häuser aus, beseitigten Schlamm und Unrat aus den Wohnungen, brachten Hoffnung, zeigten Solidarität, organisierten Hilfen aus ganz Deutschland. Bauern aus dem Münsterland und dem Emsland kamen mit schwerem Gerät und halfen entscheidend mit, Müll, Schlamm und Unrat zu entsorgen. Wir entschieden, unter der Ahrtalbrücke eine provisorische Mülldeponie einzurichten, um die Straßen wieder befahrbar zu machen. Alles, was funktionierte, fand „unter dem Radar“ statt, wir organisierten alles selbst, weil wir „von oben“ kaum etwas erwarten konnten. Mit unseren Nachbarorten hatten wir gute Kontakte, was wir an Material zu viel hatten, gaben wir ab, und umgekehrt.

Bild: Wolfgang Lingen
Bild: Wolfgang Lingen

Das, was uns von Anfang an nach der Katastrophe begleitete, waren unglaubliche Solidarität, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Einsatzwillen und Tatkraft, die einen sprachlos werden ließen, auffallend viele junge Menschen kamen zu uns ins Tal, keine Arbeit war ihnen zu viel. Da waren die jungen Leute, die wiederkamen, anpackten, Spenden mitbrachten und unglaublich fleißig bis zur Erschöpfung arbeiteten, trösteten, umarmten und weiterhalfen. Freundschaften entstanden.

Dass es so etwas in Deutschland noch geben könnte, hätte ich niemals gedacht. Manche Vorurteile konnten im Ahrtal schlagartig korrigiert werden. Bis heute erreichen uns weitere Hilfsangebote. Unglaublich, aber wahr.

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Bild: Klaus Kniel
Bild: Heinz Grates