Thematische Aspekte
Dauerregen und Unwetter lösten am 14. Juli 2021 im gesamten Ahrtal eine Flutkatastrophe aus, bei der mindestens 135 Menschen starben. Von 42.000 betroffenen Personen verloren 17.000 in wenigen Stunden ihr ganzes Hab und Gut. 8800 Gebäude/Häuser wurden zerstört, 65 Weingüter, landwirtschaftliche und handwerkliche Betriebe wurden in ihrer Existenz bedroht. 17 Schulgebäude, 19 Kitas, Sportstätten, fünf Krankenhäuser, 36 Arztpraxen und 19 Apotheken wurden beschädigt.
Menschen, die in jener Nacht alles verloren, deren Haus zerstört oder von der Flut mitgerissen wurde, mussten für längere Zeit in weit entfernten Orten Wohnungen mieten, in Container, Tiny-Häuser oder Seniorenheime ziehen. Selbst zwei Jahre nach der Flut konnten noch nicht alle in ihre Heimatdörfer zurückkehren. Viele waren traumatisiert. Manche ertrugen den Anblick der zerstörten Heimat nicht oder sie hatten keine Kraft, um ihr Haus wieder aufzubauen. So zogen Menschen für immer fort.
Wie kam es zur Flut?
War die Flut menschengemacht?
Beispiele und Folgen...
... in der Natur:
... für das kulturelle Erbe:
Diese fast 270 Jahre alte, durch das Hochwasser stark beschädigte Bibel, wurde als eine der wenigen Habseligkeiten aus dem zerstörten Haus gerettet. Sie wurde mit Hilfe der umfangreichen Expertise aus der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar restauriert. Mehr anzeigen
Die Familienbibel hatte im Zuge des Hochwassers lange im Wasser gelegen und war nicht nur stark durch Schlamm verunreinigt, sondern zudem durch Schimmel kontaminiert. Die Eigentümerinnen hatten daher Ende 2021 die Herzogin Anna Amalia Bibliothek kontaktiert und um Unterstützung bei der Schadensaufnahme und Restaurierung gebeten. Nicht zuletzt durch den Brand der Weimarer Bibliothek am 2. September 2004 verfügen die Werkstätten der Herzogin Anna Amalia Bibliothek über eine große Expertise für schwere durch Feuer und Wasser verursachte Schäden an Büchern sowie geeignete Verfahren, die für die Restaurierung der Ahrtal-Bibel genutzt und übertragen werden konnten. „Kulturgut nach Katstrophen gemeinsam retten, ist die Lehre aus dem Brand der Weimarer Bibliothek 2004“, so Dr. Reinhard Laube, Direktor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Am 25. Juni 2024 (11 Uhr) wurde die Bibel im Studienzentrum im Rahmen eines Pressetermins an ihre Eigentümerinnen aus dem Ahrtal übergeben.
Aufgrund der Kontaminierung der Bibel mit Schimmel und Schlamm waren restaurierungsvorbereitend mikrobiologische Analysen und umfangreiche Reinigungsmaßnahmen notwendig. Nach der Dekontamination wurde der Buchblock aus dem Einband gelöst und Teile unabhängig voneinander in verschiedenen Maßnahmen von den Expert*innen in den Werkstätten der Herzogin Anna Amalia Bibliothek sorgfältig gereinigt und restauriert. Der Buchblock wurde zur Papierstabilisierung und Rekonstruktion in der Lehrwerkstatt Weimar-Legefeld und der Ledereinband zur Restaurierung von Lederüberzug, Holzdeckel und Metallbeschlägen in der Projektwerkstatt behandelt. Ende März 2024 wurden die umfangreichen und teils herausfordernden Arbeiten abgeschlossen.
Beteiligt an den mikrobiologischen Analysen war – nach Einbeziehung des wissenschaftlichen Fachbeirats Brandfolgenmanagement der Herzogin Anna Amalia Bibliothek – das mikrobiologische Labor der HAWK Hildesheim. Die Dekontamination erfolgte extern durch einen Dienstleister für Gammabestrahlung. Nach der Dekontamination wurden Buchblock und Einband unabhängig voneinander in folgenden Teilmaßnahmen behandelt: Papierreinigung: Aufgrund der starken Kontamination mit Schlamm und Schimmel wurde eine intensive Oberflächenreinigung der einzelnen Buchseiten durchgeführt. Dadurch konnten die aufliegenden Verunreinigungen bereits trocken deutlich reduziert werden.
Die Reinigung der Blätter wurde in einer Nassbehandlung fortgesetzt, bei der vor allem der eingetrocknete Schlamm gelöst und minimiert werden konnte. Die abgebaute Papierstruktur wurde durch das Übervliesen mit einem hauchdünnen Japanpapier stabilisiert. Fehlstellen konnten angefasert und ergänzt werden. Der Buchblock wurde nach der Behandlung aller Blätter rekonstruiert und geheftet.
Durch Tests nach dem Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek war bekannt, dass feste Anhaftungen durch das Weichstrahlverfahren, bei dem Cellulosepulver mit einer Druckluftpistole auf die Oberfläche aufgesprüht wird, schonend reduziert werden können. Die Methode wurde an der der TH Köln am Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaften etabliert. Ein Mitarbeiter der HAAB behandelte den Einband mit dem Verfahren und konnte so das Einbandmaterial (Schweinsleder) und die Messingschließen bzw. -beschläge vollständig reinigen. Einbandrestaurierung: Deckel und Lederbezug waren stark deformiert und wurden durch kontrollierten Feuchtigkeitseintrag schonend in eine wiederverwendbare Form gebracht. Am Rücken wurde eine Ergänzung unterlegt und der stabilisierte Einband, mit dem neu gehefteten Buchblock verbunden. Weniger anzeigen
Die Sankt Sebastianus Bürgerschützen-Gesellschaft Ahrweiler 1403 e.V. führt seit Jahrhunderten Seelenbücher, eine Art Mitgliederverzeichnis. Das älteste erhaltene Buch von 1655 befindet sich heute im Museum des Schützenvereins. Bei der Flut 2021 erlitt das Objekt Schäden und musste fachgerecht restauriert werden.
Seelenbuch von 1655
„Brücken im Ahrtal“
... für die Menschen:
... für Kinder:
Innere Welt der Betroffenen:
Die kleine Engelsskulptur lieh der Spendenkampagne des Museumsverbands Rheinland-Pfalz als „Engel der Hoffnung“ sein Gesicht. Er wurde 2022 restauriert. Über die Fortschritte der noch immer andauernden Restaurierung der vielen Sammlungsbestände von der Ahr hält der Museumsverband auf seiner Webseite auf dem Laufenden.
Alles war zerstört. Alles war grau. Ich wusste, dass wir Verzweiflung, Resignation und Hoffnungslosigkeit hinter uns lassen mussten, dass wir nicht aufgeben durften. Mit bunten Farben und aufmunternden Sätzen wollte ich Flutbetroffenen und Helfenden einige Tropfen Hoffnung und Respekt spenden und sie ermuntern, stark zu bleiben.
Mit ihren Kindern und Freunden bemalte Edyta Bertram fünf Wochen nach der Flut das Haus ihres Schwiegervaters, das, anders als ihr eigenes Haus, nicht abgerissen werden musste.
Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen...
...von den Betroffenen:
Welche Häuser und Gebäude abgerissen werden mussten und wer sein Haus in Ahrnähe wieder aufbauen durfte, war in vielen Fällen über lange Zeit nicht geklärt. Bei der Definition von Flutrisikogebieten berücksichtigte man einerseits mögliche zukünftige Gefahren, andererseits aber auch, dass Betroffene wieder in ihre Heimatdörfer zurückkehren wollten und Dorfstrukturen erhalten bleiben konnten. Der komplizierte Wiederaufbau/Neubau zog sich über Jahre und zermürbte die Menschen.
...von den Helfenden:
Die gemeinsame Bewältigung der Flutfolgen führte zu einem starken Zusammenhalt innerhalb der Bevölkerung. Unmittelbar nach der Flut bildeten sich in den Orten Krisenstäbe und Hilfsvereine mit einem großen Handlungspotential. Unermüdlich war der Einsatz von Feuerwehren, Rettungskräften, Hilfsorganisationen, Helfer, Kirchen, Bürgermeister, Ortsbürgermeister und Ortsvorsteher. Die beispiellose deutschlandweite Solidarität und Spendenbereitschaft sowie die vielen Helfern gaben den Menschen Zuversicht und Hoffnung. Für die meisten Betroffenen war klar, dass Aufgeben keine Option war. Der Wiederaufbau des Tales stand für sie nie außer Frage.